Werbung für Gott

Pfarrer Joachim Schauß und EKHN-Öffentlichkeitsarbeitschef Volker Rahn Rebecca Keller

EKHN-Öffentlichkeitsarbeitschef Volker Rahn bei „Gott um Elf“ in Ober-Ramstadt

„Werbung für Gott. Reklame für die Kirche“ hieß das Thema des jüngsten Gottesdienstes „Gott-um-Elf“ in der Evangelischen Kirche in Ober-Ramstadt. Pfarrer Joachim Schauß hatte sich einen guten Bekannten eingeladen: Volker Rahn, Leiter der EKHN-Öffentlichkeitsarbeit. Beide arbeiteten früher zusammen am Paulusplatz: Schauß als Referent des Kirchenpräsidenten Volker Jung, Rahn als Pressesprecher der EKHN.

Interessante Einblicke gab Volker Rahn, der vor knapp zwei Jahren die Leitung der Öffentlichkeitsarbeit der EKHN von Stephan Krebs übernommen hatte, der in den Ruhestand gegangen war. Befragt nach „spannenden Themen“ nannte Rahn etwa die Einführung der Trauung gleichgeschlechtlicher Paare 2013, die es „bis in die Tagesschau geschafft“ hatte, oder auch die 500-Jahr-Feier der Reformation 2017. Eine Herausforderung auch für die Kommunikation der Kirche sei die Corona-Pandemie gewesen. Auch der Reform-, Transformations- oder Sparprozess ekhn2030 sei für die Öffentlichkeitsarbeit laut Rahn „anstrengend“.

„Welchen Stellenwert hat Kirche in unserer Mediengesellschaft und Aufmerksamkeitsökonomie?“, fragte Pfarrer Joachim Schauß, und „Wie lässt sich das Evangelium von der Liebe Gottes für alle Menschen heute unter die Leute bringen, vor Ort und im World Wide Web?“ Wohl schwierig angesichts des bekannten Prinzips, dass vor allem „schlechte Nachrichten gute Nachrichten“ seien, so Schauß. Die christliche Religion sei schon immer darauf aus gewesen, Aufmerksamkeit zu erzeugen, sagte Volker Rahn und lenkte den Blick in die Geschichte. Als „Buchreligion“ wollte das Christentum schon immer „Menschen erreichen“. Darum sei das Neue Testament, das Evangelium, auf Griechisch, der damaligen Weltsprache, verfasst, nicht auf Aramäisch, was Jesus sprach, und nur wenige verstanden.  

Für Rahn sei der Apostel Paulus mit seinen Briefen ein „Vorbild in der Kommunikation“. Zudem lehre die Apostelgeschichte, dass die ersten Missionare damals etwa auf dem Areopag in Athen öffentlich, wie die Philosophen, vom Glauben erzählt hätten. Aufmerksamkeit zu erzeugen, sei also nicht neu. Nur sei es heute angesichts der Digitalisierung schwieriger, da „viele Sinn-Anbieter auf vielen Sendern unterwegs“ seien. Einen neuen Schub habe es durch die Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern gegeben, wodurch sich die Reformation und Luthers Lehren in Form von Flugschriften auf Deutsch schnell verbreiteten. „Das war der damalige Social-Media-Kanal Twitter/X“, so Rahn, „kurze Botschaften – große Reichweite.“ Durch Flugblätter wurden zudem religiöse Karikaturen verbreitet, wie etwa die Papstdarstellung mit Eselskopf von Lucas Cranach, was zu heftigen Auseinandersetzungen führte.

Das Christentum wurde als Buchreligion vor allem durch die Bibel vermittelt. Seit der Reformation rückte die Predigt auf Deutsch im Gottesdienst in den Mittelpunkt. Christus und das Kreuz seien selbst eine „Art der Kommunikation“, so Rahn, der mit Schauß beim Rückblick dann einen großen Sprung zum Ende des Zweiten Weltkriegs machte. Hier seien die Kirchen vorn dran gewesen, den Rundfunk schon früh etwa für Andachten zu nutzen. Damals abgeschlossene Staatskirchenverträge gälten bis heute. So gebe es heute Sendeanteile am Sonntagmorgen etwa im Hessischen Rundfunk und bei FFH, zudem das „Wort zum Sonntag“, wenngleich hier diskutiert werden könnte, ob dieses Format noch zeitgemäß sei. Während der Pandemie sei Kirche neue Wege mit Streaming-Gottesdiensten gegangen. Hier seien Fragen aufgekommen wie etwa, ob ein medial vermittelter Segen gültig sei.

Heute breche die Öffentlichkeit auseinander, es gebe keine einheitliche Informationsgrundlage mehr, so Joachim Schauß. Viele bewegten sich in ihrer „Bubble“, es gebe Desinformation und „Hate Speech“ in den Sozialen Medien. Wie agiert hier die EKHN? fragte Schauß den Experten. Volker Rahn erwähnte hier das Medien-Kommunikations-Konzept der EKHN. Es koste Anstrengung und auch Geld, im Internet, in Suchmaschinen, in den sozialen Medien als Kirche nach vorn zu kommen. Im Sinne des Priestertums aller Gläubigen  ermutige die Kirche, dass die Gemeinden dezentral aktiv würden als „1200 kleine Influencer“. Oft sei das Bemühen ernüchternd, manchmal gelinge es aber, so Rahn, der als Beispiel ein provokantes Posting von EKHN-Pfarrer Jörg Niesner zum Thema Kirchenaustritt anführte, das vier Millionen Aufrufe auf Instagram erzielte. Oft funktionierten spontane Dinge besser als große Konzepte. Die Kirche sei zudem aufgerufen, „Hate Speech im Netz Love Speech entgegenzusetzen, zu mäßigen, Barmherzigkeit und Liebe in die Kommunikation zu bringen“.

Volker Rahn empfahl, sich nicht nur auf Social Media zu konzentrieren. Sein Herzensanliegen sei es, „sich von Sozialen Medien unabhängig zu machen und Menschen digital direkt in ihren Lebenssituationen anzusprechen“, etwa per E-Mail. Hier stellte Rahn das „Philippus-Projekt“ der EKHN vor, bei dem E-Mail-Adressen von Mitgliedern gesammelt werden, um passende Botschaften gezielt zu senden. Materialien würden hier entwickelt zu Lebensereignissen wie Geburt, Einschulung, Trauung oder Umzug, die Gemeinden zur Verfügung gestellt würden.

Von einer Gottesdienstbesucherin kam in der anschließenden Diskussion etwa die Anregung zu einem Podcast. Volker Rahn könnte sich hier einen solchen mit Kirchenpräsidentin Christiane Tietz vorstellen, die gut theologische Inhalte erklären könne. Auf Fragen zur Nutzung von Social Media empfahl Volker Rahn etwa, anstehende Veranstaltungen oder Gottesdienste „anzuteasern“, indem kurz vorher ein kleiner Vorgeschmack gegeben werde, ohne viel zu verraten.

Laut einer Untersuchung definiere sich ein Drittel der Mitglieder der EKHN als kirchenfern, davon hätten 20 Prozent wiederum angegeben, den einzigen Kontakt zur Kirche über die Impulspost zu haben. Diese sieht Rahn jedoch thematisch „noch zu breit gestreut“. Die Kirche müsse vielmehr mit bestimmten Zielgruppen individuell kommunizieren und diese „in bestimmten Lebenssituationen mit unterschiedlichen Angeboten ansprechen“.

Musikalisch gestaltete die Ober-Ramstädter Kirchenband unter Leitung von Gerlinde Fricke den Gottesdienst mit thematisch passenden Liedern. Dekanatskantorin Carolin Raschke übernahm im Gesangsensemble eine tragende Rolle.  

Anschließend war noch Gelegenheit, miteinander bei Snacks im Kirchenraum ins Gespräch zu kommen.

Text: Rebecca Keller